Segellager Wohngruppe 1 und externe Wohnformen vom 29.9. – 6.10.2023

„Allzeit gute Fahrt und immer eine handbreit Wasser unter dem Kiel“, lautet ein bekannter Gruss unter Segelnden. Dass wir schon mit der über 10-stündigen Anfahrt mit dem Zug nach Stralsund pünktlich und gut unterwegs waren, hat einige von uns überrascht. Ob wir auch auf dem Schiff «Allzeit gute Fahrt» haben werden?

Pünktlich und mit vollgepacktem Rucksack erreichen wir die «de Alberta», ein Plattbodenschiff das 1891 als Einmast-Seetjalk in Groningen, Niederlanden, gebaut wurde. Damals wurden Handelswaren im grossen Schiffsrumpf aus Stahl über die Nord- und Ostsee gesegelt. Heute besteht der ehemalige Laderaum aus 7 kleinen Kajüten und einer grossen Messe, wo gekocht und gegessen wird.

Nachdem wir unsere Kajüten bezogen und uns beim Abendessen gestärkt hatten, lernten wir die Besatzung kennen und bekamen eine Sicherheitseinführung vom Schiff. Die feste Besatzung der «de Alberta» bestand dieses Mal aus Dick, dem Kapitän, sowie Arne und Carina als Bootsmenschen. Sie leiteten uns beim Segelsetzen und Manöver fahren an und tauschten ihr Wissen mit uns.

An diesem ersten Abend hörten wir auch die Wetterprognose für die nächsten Tage: aufziehender Sturm aus Westen. Unser Zielhafen Kiel lag genau in der Richtung, woher der Sturm auf uns zu kam.
Was dies für die einzelnen Etappen bedeutet, konnte an diesem Abend noch keiner so genau sagen und auch das pünktliche Erreichen von Kiel stand in Frage. Unsere einzelnen Etappen lassen sich wie folgt beschreiben:

Stralsund – Darsser Ort

Das erste Frühstück an diesem Morgen konnten wir in der Messe zu uns nehmen und so legten wir gegen 8 Uhr im Stralsunder Hafen ab. Das heutige Ziel war es, so weit wie möglich gegen Westen zu segeln. Weil der Wind schon ordentlich blies, entschied der Kapitän, ein Reff in das Grosssegel zu machen. Dies verkleinert die Segelfläche und soll uns bei starkem Wind trotzdem vorwärtsbringen. Zwischen Hiddensee und der unbewohnten Insel Bock hindurch fuhren wir auf die Ostsee. Da ein Schiff nicht gegen den Wind segeln kann, mussten wir bei dieser Etappe oftmals durch den Wind kreuzen. Alle Personen an Bord fanden sich schnell in ihren verschiedenen Positionen ein und mussten bei den insgesamt neun Wendemanövern mit anpacken. Den ganzen Tag segelten wir nördlich der Halbinsel Fischland – Darss – Zingst entlang, welche zum Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft gehört. Dass wir später am Abend mitten im Naturschutzgebiet, am Nothafen Darsser Ort anlegten, hatte zwei Gründe: Einige Personen litten stark unter Seekrankheit und der nächste Hafen lag weitere Stunden entfernt.

Darsser Ort – Warnemünde

Schon beim Anlegen im Darsser Ort hörten wir aus der Dämmerung heraus die Rufe von dutzenden Hirschen. An den Rufen des Rotwildes hat sich am Morgen nichts verändert, doch hatten wir nun die Chance, in der Ferne einige Tiere auszumachen, die bis zum Strand liefen. Ein einmaliges Erlebnis, vor allem mit dem Wissen, dass dieser Nothafen im Jahr 2024 komplett renaturiert wird und somit nicht mehr vom Wasser erreicht werden kann. Die Wetterprognose mit Sturmwarnung hielt sich immer noch, so dass auch heute so viel Strecke wie möglich gemacht wurde. Da wir einen süd-westlichen Kurs fuhren, bedarf es nicht so vielen Manövern wie am Tag davor. So konnten wir uns auf dem Deck lang machen, gemeinsam kochen und die See geniessen. Am Abend war die Ruhe im Zielhafen Warnemünde aber vorbei. Viele Touristen schauten uns dabei zu, wie die «de Albertha» in dem alten Fischerdorf am Quai festmachte. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen freuten sich indes schon auf ihren Ausgang und, im Vergleich zum Darsser Ort, auf das lebhafte Treiben an der Promenade.

Warnemünde – Schleimünde

Vom Fluss Warnow ging es auf dieser Etappe an den Fluss Schlei. Viele Dörfer an der Ostsee wurden nach den Flüssen, welche in die Ostsee münden, benannt. Der aufziehende Sturm hat sich zeitlich früher angekündigt, wie er dann tatsächlich eintraf. So gewannen wir Zeit, um den längsten Schlag dieser Segelwoche zu bestreiten. Von Warnemünde aus ging es über die Mecklenburger Bucht. -Schnell verschwand die Küstenlinie und wir sahen ringsum nur Wasser. Unser Kurs Richtung Nord-West mit Wind aus Süd-West verlangte uns keine Manöver ab. Dies liess uns Zeit einmal ins Klüvernetz, ganz vorne am Bug, zu steigen. Nur zu zweit und ausgerüstet mit einer Rettungsweste lag jeder, der Lust hatte, einmal im Netz und liess sich von der Gischt des Fahrwassers erfrischen. Auf Hälfte der Strecke durchfuhren wir den Fehmarn Belt und kreuzten die Fährverbindung zwischen Deutschland und Dänemark, bevor wir die Kieler Bucht bis nach Schleimünde überquerten. Als wir den Leuchtturm erspähten war es schon dunkel. Es brauchte nun nochmals alle Konzentration, das Grosssegel und Focksegel im Dunkeln zu bergen und zu packen, während in der Messe schon das späte Abendessen gekocht wurde. Auf dem Deck herrschte Stille, eingefordert vom Kapitän, der sich auf die Stimme von Bootsmann Arne vorne am Bug konzentrierte, um das Schiff am Quai festzumachen. Kurze Zeit später sass dann die komplette Mannschaft beim verdienten Abendessen in der Messe zusammen.

Schleimünde – Kappeln   

Schleimünde – eine kleine Halbinsel mit Leuchtturm und angrenzendem Naturschutzgebiet – bot uns für diesen Tag nicht genug Schutz, um den angekündigten Sturm abzuwettern. Auch wäre ein Verlassen des Hafens Richtung Ostsee gefährlich und fahrlässig gewesen, deswegen entschied der Kapitän unter Absprache mit dem Team, Kappeln anzulaufen. Als wir ablegten, war der auffrischende Wind schon spürbar. Nur mit gesetztem Vorsegel fuhren wir auf der Schlei weiter ins Landesinnere, an alten Reetdach-Häusern vorbei direkt auf die grosse Klappbrücke in Kappeln zu. Hier wird immer eine kleine Neuhof-Segelgeschichte erzählt. So kam es einmal, dass das Schiff ablegte, um die Brückenöffnungszeit einzuhalten. Ein Jugendlicher, der damals mitfuhr, bemerkte erst nach dem Duschen, dass das Schiff weg war. Glücklicherweise konnte er das Schiff zu Fuss erreichen, welches nach der Brücke auf ihn wartete. In Kappeln angekommen, machte die «de Albertha» im Museumshafen Kappeln neben alten Holzbooten mit viel Geschichte fest. Als wir uns gemeinsam aufmachten in die Stadt zu gehen, setzten die ersten Regentropfen ein und der Wind brauste durch die Bäume der Promenade. Durch den Schutz des Geländes rund um die Schlei konnten wir nur erahnen, wie stark es draussen auf der Ostsee wüten musste. Am Abend ging wir alle zusammen etwas trinken und liessen den Tag ausklingen.

Kappeln – Eckernförde     

Bevor wir am Museumshafen ablegten, stellten wir frühzeitig sicher, dass alle Personen an Bord sind, um pünktlich die Brückenöffnung zu erreichen. Dann führte unser Weg von der Schlei wieder zurück auf die Ostsee. Draussen auf See segelten wir in Küstennähe, um vom immer noch starken Wind ein wenig geschützt zu sein. Der bestimmte Kurs an diesem Tag nach Eckernförde bedeutete Wind von achtern, so war es uns an diesem Tag möglich ein kleines Segel unter dem Grossbaum zu setzen.
Dieses Segel, auch Wassersegel genannt, sorgte noch für ein wenig mehr Geschwindigkeit, bevor wir in die Eckernförder Bucht einfuhren. Ab da kreuzten wir bis zur Stadt gegen den Wind, wie am ersten Tag. Eckenförde ist eine kleine Stadt mit vielen Denkmal Geschützen Gebäuden, einem kleinen Strand und traditionsreicher Fischereigeschichte. Dort hatten wir auch die Möglichkeit, unseren Proviant für die Heimreise zu beschaffen, denn der nächste Hafen wird der letzte für diesen Törn sein.

Eckernförde – Kiel

Unser letzter Segeltag führte uns aus der Eckernförder Bucht und in die Kieler Förde. Der Wind verschaffte uns einen Kurs, welcher wenig Segelmanöver forderte und so hatten wir Zeit zurückzuschauen, was wir gemeinsam erreicht haben. Die ersten Tage standen unter dem Motto «Vor dem Sturm so weit in Westen wie möglich», was bedeutete, teils über 10 Stunden zu segeln. In der Wochenmitte mussten wir den Sturm in Kappeln aussitzen sowie die kleineren Segelstrecken zwischen Kappeln und Eckernförde nach Kiel meistern. Wir verbrachten Nächte in fast menschenleeren Naturhäfen und Abende gemeinsam in Städten, wo sich kein Rotwild hin verirrte. Eine Woche, die ganz im Gegensatz zum Neuhof-Alltag stand, und allen Beteiligten in Erinnerung bleiben wird. Die letzten Minuten unter Segel endete dann direkt in der Kieler Innenstadt. Wir fuhren vorbei an einem Militärhafen, riesigen Containerschiffen und skandinavischen Fähren, als wir direkt in der Nähe von Hauptbahnhof festmachten. Nun hiess es «Grossreinemachen» und gemeinsam Essen zu gehen, bevor wir am nächsten Tag vom Schiff auf den Zug umstiegen.

Auch die letzte Etappe, unsere Heimreise mit dem Zug, verlief gut. So kamen alle nach einer aufregenden Woche mit vielen neuen Eindrücke am Freitagabend auf dem Neuhof an.

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