Segellager Wohngruppe 1 & 2 und Externe Wohnformen vom 30.9. – 8.10.2022
Da standen wir morgens um 6 Uhr in der Dämmerung vor der Wohngruppe. Die Materialschlacht um Rucksack, Segelhosen, Stiefel fassen und etliche Sandwiches belegen für die Reise liegt hinter uns. 13 lange Zugstunden lagen zwischen dem Neuhof und der «De Albertha», dem Schiff, welches uns von Stralsund nach Kiel bringen sollte.
Stralsund erreichten wir gesund, munter und mit ca. 3 Stunden Verspätung. Das Gepäck-Taxi und die heisse Pizza auf dem Schiff rundeten den Tag und unser Ankommen in Stralsund ab. Schnell bezogen wir unsere Kajüten und verzogen uns in die Koje zum Schlafen.
Im Folgenden nehme ich euch gerne mit auf unsere Etappen und Häfen, die wir bis nach Kiel anliefen. Also, los geht’s und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel.
Stralsund – Barth
Der Morgen in Stralsund bescherte uns einen leuchtenden Sonnenaufgang, der schnell hinter grauen Wolken verschwand. Nach dem Frühstück verliessen wir den Hafen von Stralsund unter Motor. Schon jetzt blies der Wind ordentlich aus Westen. Der Wind oder – wie der Kapitän sagt – das Wetter wird nun die nächsten Tage bestimmen, wie unsere Route aussieht. Vorerst werden wir die Gewässer vor der Ostsee nicht verlassen, dafür ist das Wetter zu stark. Somit setzen wir an diesem Tag nur die Fock, das sogenannte Vorsegel der de Albertha, und segelen in vorgegebenen Fahrrinnen nach Barth.
In Barth angekommen war der Drang gross, die Gegend zu erkunden und den einen oder anderen Proviant aufzustocken. Dass Deutschland gross ist, erkannten wir an der langen Zugsfahrt. Nun staunte der eine oder andere junge Erwachsene über die Öffnungszeiten, die Menge und Auswahl an Energy-Drinks oder Grösse der Zigarettenpackungen.
Da wussten wir noch nicht, dass ab sofort die erste Frage im Hafen war: «Het’s hier en Rewe?»
Barth – Kloster (Hiddensee)
Der Morgen in Barth begrüsste uns mit viel Sonnenschein und wieder Wetter aus West. Unter Segelschiffskapitänen ist es eine Kür und ein Zeichen des Könnens, unter Segel den Hafen zu verlassen. So kurbelten wir zum ersten Mal das Grosssegel hinauf. Die alte Kurbel, die vor Jahren von einer Neuhof-Werkstatt restauriert wurde, forderte einiges an Menschenkraft. Jeweils zu zweit und abwechselnd zogen wir das Segel den über 25 Meter hohen Mast hinauf. Das Schiff nahm Fahrt auf und der Kapitän führte es haarnadelscharf an einem Kurschiff vorbei. Die Angler am Kai, wir als junge Seemannschaft und die Passanten waren beeindruckt von dem Auslaufmanöver. Zurück durch den Barther Bodden und immer noch geschützt durch die Halbinsel Zingst steuerten wir Hiddensee an, von wo aus unsere Fahrt über die Ostsee nach Kiel startete.
Kloster – Kühlungsborn
Wir verliessen Hiddensee am frühen Morgen. Die wunderschöne, autofreie Insel mit seinem Leuchtturm ist sicherlich einer der schönsten Flecken, die das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern zu bieten hat. Das Wetter bliess wieder stark aus West an diesem Morgen, doch um heute die Strecke Richtung Kiel zu machen, mussten wir hinaus auf die Ostsee und gegen den Wind ankämpfen. Wie schwer dieser Kampf für uns werden sollte, ahnten wir nicht, als wir um 6.20 Uhr ohne Frühstück und unter Motor den Hafen Kloster verliessen. Wir segelten an der Ostküste Hiddensees hinunter auf die offene Ostsee. Dort erwarteten uns Windstärken von 7 – 8 Beaufort, welche das alte Stahlschiff versuchte in die Knie zu zwingen, während wir eine Welle nach der anderen bezwangen. Doch die See, der Wind und der Wellengang, der das Schiff unaufhörlich schaukeln liess, zeigte schnell seine Wirkung auf jeden einzelnen von uns. Einige litten gar nicht, andere litten die gesamte 12-stündige Fahrt. Seekrankheit war nun keine Worthülse mehr. Wir wussten, was es mit dem einen oder anderen anstellen konnte. Umso schöner war die Ankunft in Kühlungsborn mit den letzten Sonnenstrahlen. Die Kräfte kamen zurück und wir konnten wieder festen Boden unter unseren Füssen spüren.
Kühlungsborn – Heiligenhafen
Auch heute hatten wir ein grosses Stück Strecke vor uns. Doch das Wetter war weniger stark und immer wieder schien die Sonne. Einmal rund um Fehmarn war der Plan, da die Fehmarnsund-Brücke nicht hoch genug ist, um darunter durchzusegeln. Die Stimmung an Bord war gelöster. Einige waren zwar noch geplagt von einem flauen Magen, aber konnten die Fahrt trotzdem geniessen. Einzelne trauten sich dann auch ins Klüver-Netz, welches vorne an einem Holzmast befestigt ist, der über das Bug hinaus geht. Durch das Spritzen der Gischt vorne am Bug sollte man einer «Dusche» nicht abgeneigt sein.
Da auf Fehmarn kein Platz für die «De Albertha» war, segelten wir nach Heiligenhafen, eine kleine Stadt auf dem Festland vor Fehmarn. Das Bundesland Schleswig-Holstein begrüsste uns mit einem offenen Rewe und einer Bar im Hafen, die nicht um 21 Uhr schon die Türen schloss.
Heiligenhafen – Kappeln
Immer noch viel Wetter. Aber die Richtung hat ein wenig gedreht und es kam aus Südwest. Die 2 langen Fahrten der letzten Tage bescherten uns ab diesem Tag nur noch kleine Sprünge von einem Hafen zum anderen. Heute sollte Kappeln unser Ziel sein. Die Stadt liegt im Landesinneren an einem Meeresarm der Ostsee, der Schlei. Bei der Einfahrt begrüsste uns ein grün-weisser Leuchtturm sowie auf der Strecke verteilte alte Reetdach-Häuser, die ein typisches Norddeutsches Bild zeigten.
In Kappeln angekommen mussten wir noch durch eine aufklappbare Brücke hindurch, bis wir im Museumshafen neben anderen alten Schiffen festmachen konnten. Die kurze Strecke liess uns an diesem Tag noch viel Zeit zum Einkaufen und die kleine Stadt erkunden.
Kappeln – Damp
Da wir wieder durch die Brücke mussten, die nur einmal in der Stunde öffnete, sagte der Kapitän am Vorabend schon, wir sollten pünktlich zurück auf dem Schiff sein. Mit der ganzen Crew schafften wir es in Kappeln aufzubrechen und unser Weg zurück auf die Ostsee anzusteuern. Wieder Wetter aus Südwest bedeutete für uns viele Segelmanöver. Konkret fuhren wir eine Wende nach der anderen. Bei der Wende tauchen wir mit dem Bug immer wieder direkt durch die Windrichtung, es wird dann auch von «Kreuzen» gesprochen. Auf einer Karte würde dies wie ein Zick-Zack-Kurs aussehen.
Durch die gewonnene Zeit durch unsere 2 Langfahrten und den starken Wind machten wir noch ein Zwischenhalt in Damp, bevor wir schlussendlich Kiel erreichen. Damp, ein kleines Dorf direkt an der Ostsee, stellte sich als verschlafener Kurort heraus.
Damp – Kiel
Auch heute mussten wir gegen den Wind aufkreuzen. Unter dem Schutz der Küste segelten wir Richtung Kiel. Nicht nur einmal hörten wir heute: «Nicht lang schnacken, Schot anpacken.» Die Schot oder das Seil, welches das Vorsegel oder Fock in Stellung brachte, musste bei jedem Manöver bedient werden. Immer wieder hiess es: «Klar machen zur Wende» und die Crew wusste, was zu tun war. In die Einfahrt nach Kiel fuhren wir unter Segel bis wir auf Höhe eines grossen Bundeswehr-Hafens die Segel strichen und unter Motor nach Kiel fuhren, vorbei an den grossen Fähren, die Skandinavien ansteuerten. Wir haben unser Ziel erreicht, sind diese Woche zusammengewachsen und die eine oder andere Grenzerfahrung hinter uns.
In Kiel endete unser Ausflug mit einem gemeinsamen Nachtessen in einem grandiosen Burger-Restaurant und individuellem Ausgang. Zum letzten Mal trafen alle Nachtschwärmer um Mitternacht auf dem Schiff ein. Nach einer langen Heimfahrt mit der Deutschen Bahn sind alle wieder gesund, munter und um eine Geschichte reicher in der Schweiz angekommen. Segeln verbindet und wir sind uns sicher, diese Erlebnisse bleiben uns in Erinnerung.